WIEN/Staatsoper: „Ring“-Zyklus 2 – „Die Walküre“ – 21. Mai 2017

Musikalische und sängerische Höchstleistungen in banaler Inszenierung

Siegmund und Sieglinde 1. Aufzug

Siegmund und Sieglinde 1. Aufzug

Nach dem mit dem „Rheingold“ so eindrucksvoll, insbesondere in musikalischer Hinsicht, begonnenen 2. „Ring“-Zyklus an der Wiener Staatsoper sah man sich bei Kapellmeister Peter Schneider in sicheren Händen, dass es mit ihm am Pult des Philharmonischen Staatsopernorchesters in dieser hohen Qualität mit der „Walküre“ weitergehen würde. Und so war es denn auch. Wir erlebten wie im „Rheingold“ eine musikalisch (kaum szenisch) spannende „Walküre“ trotz der langsamer als gewohnten Tempi des Maestros. Schon im Vorspiel zum 1. Aufzug (1 Sunde 12 Minuten!) war der gehetzte Lauf um sein Leben von Siegmund heraus zu hören. Die Begegnung mit Sieglinde kurz darauf in Hundings Hütte ließ Schneider mit feinsten Lyrismen ausmusizieren und fand im 2. Aufzug dramatische und stets transparente Steigerungen beim Vorspiel („Nun zäume dein Ross!“) sowie bei den Fantasien von Sieglinde. Herrlich gerieten auch der Walkürenritt und Wotans Abschied. Zu keinem Zeitpunkt waren Längen zu hören – stets konnte Schneider das musikalische Geschehen auf einem scheinbar endlos ausgedehnten Spanungsbogen halten. Es ist nur allzu bedauerlich, dass dieser „Ring“ möglicherweise sein letzter an der Wiener Staatsoper sein könnte.

Das Sängerensemble überzeugte ebenfalls auf höchstem Niveau, und zwar diesmal auch Wotan Thomas Johannes Mayer, der im „Rheingold“ noch etwas blass wirkte und mit dem „Walküre“-Wotan nun sein Rollendebüt an der Wiener Staatsoper gab. Er war schon im 2. Aufzug stimmlich viel präsenter und konnte sich im 3. Aufzug zu einer wahrlich großen Leistung steigern, die mit der Walküre Petra Lang in einem mitreißenden Abschied gipfelte. Mayer ist im Prinzip Heldenbariton. Das konnte man auch schon bei seinem hervorragenden Telramund und Holländer hören. So beeindruckte er als „Walküre“-Wotan mehr mit seinen blendenden Höhen als mit seiner Tiefe. Beides konnte er jedoch bei seiner guten Gesangskultur und Diktion sowie einem überaus engagierten Auftreten an diesem Abend gut ausbalancieren.

Schwertgewinnung durch Siegfried 1. Aufzug

Schwertgewinnung durch Siegfried 1. Aufzug

Petra Lang war eine in allen Belangen begeisternde Brünnhilde, besser noch als im 1. Zyklus. Schon ihr Hojotoho war mit größter Empathie gesungen, ja vielleicht geschmettert, und im weiteren Verlauf konnte sie durch facettenreiche Phrasierung und gute Vokalisierung viele Dimensionen der Titelpartie ausloten. Eine Klasse für sich ist mittlerweile Camilla Nylund als Sieglinde. Mit einem auch in den Höhen und Tiefen bestens ansprechenden und stets leuchtenden Sopran spielte sie die Rolle mit einer emotionalen Intensität, die man nicht alle Tage erleben kann. Mihoko Fujimura war wie schon im „Rheingold“ eine stimmlich und auch mit großer darstellerischer Intensität agierende Fricka, die dem starken Wotan nichts schuldig blieb. Robert Dean Smith sang seinen seit langem bekannten Siegmund mit einem stabilen, wenn auch nicht allzu großen Tenor, der aber nur selten aus gewohnten Bahnen ausbricht. Sein Wälsungenblut war allerdings vom Feinsten. Smith spielt immer etwas zu verhalten, was auf der anderen Seite seine Rollendarstellung aber edler erscheinen lässt.

Ein ganz großes Talent wächst offenbar mit dem Bassisten Jongmin Park heran, der nach seinem exzellenten Fasolt am Vorabend nun auch den Hunding mit seinem Rollendebüt an der Wiener Staatsoper gab. Die Stimme hat eine profunde Tiefe, ein schönes Timbre und viel Ausdruckskraft. Von ihm wird ganz sicher bald noch mehr zu hören sein. Ein Hagen ist da sicher in Bälde denkbar. Das Walküren-Oktett war wie in der Staatsoper gewohnt sowohl solistisch als auch in der Gruppe stimmlich bestens. Es sangen Regine Hangler, Caroline Wenborne, Hyuna Ko, Margaret Plummer, Ulrike Helzel, Monika Bohinec, Zoryana Kushpler, die für Bongiwe Nakani einsprang, und Rosie Aldridge.

Die neun Pferde im 3. Aufzug im Feuer

Die neun Pferde im 3. Aufzug im Feuer

Szenisch (Sven-Eric Bechtolf Regie und Rolf Glittenberg Bühnenbild) geht es mit der Trübsal aus dem „Rheingold“ (siehe Bericht unten) weiter. Der 1. Aufzug wirkt optisch und auch von der Lichtgestaltung her wahrlich ermüdend und macht es den Protagonisten schwer, darin Stimmung auf kommen zu lassen, ja sich überhaupt zu orientieren. Ein paar um die mittig stehende Weltesche angeordnete Tische und Stühle, ein kaum sichtbar glimmender Kamin – und das war’s! Im 2. Aufzug gewahrt man dann wieder „wie hingelegt und nicht abgeholt“ diese „Brie-“ oder „Camembertstücke“ (Felsen sein wollend – siehe „Rheingold“-Bericht unten). Dahinter steht ein Wald aus Baumstämmen, alle gleich lang und dick. Die Bühnenbox aus Holzpanelen ist eins zu eins von jener im Bühnenbild der schon einige Zeit zurück liegenden Düsseldorf/Kölner Produktion von Kurt Horres abgekupfert. Das ganze hier in tristem Grau. Allein die häufig mit Schlangenleder verarbeiteten Kostüme von Marianne Glittenberg und im Besonderen der Lederpatchwork-Mantel Wotans können durchwegs gefallen.

Da Bechtolf offenbar keine aussagekräftige und deshalb auch herzeigbare Dramaturgie des Zweikampfes zwischen Siegmund und Hunding einfiel, wird dieser mit einer gewissen Belanglosigkeit fast unsichtbar in den Hintergrund zwischen die Baumstangen verlagert. Man kann nur erahnen, wer da wen trifft und warum es tödlich ist. Was man aber genau sehen kann, ist Siegmunds völlig intaktes, am Boden liegendes Schwert und dass die Walküre ein sorgsam gebundenes Päckchen mit zwei Schwertstücken aufhebt und mit Sieglinde durch eine Tür in den Holzpanelen (doch ein Wohnzimmer…?!) davon eilt. Wie lieblos! Es wäre doch so leicht, durch einen Schiebemechanismus das Schwert Siegmunds am Speer Wotans in zwei Stücke zerspringen zu lassen, was diesem Augenblick des Kampfes ein viel eindrucksvolleres Gewicht verleihen würde und im Übrigen auch Wagners Intentionen entspräche. Dabei wollte Bechtolf mit seiner Inszenierung doch explizit weitgehend bei Wagners Vorstellungen bleiben (Zitat damalige Pressekonferenz: „Wotan wird keinen Aktenkoffer haben…“). Die absurde Dramaturgie des 3. Aufzugs mit dem Herumgehetze der für Walhall vorgesehenen „Helden“ bedarf keines weiteren Kommentars. Eigentlich auch die neun Pferde nicht, die stoisch den gesamten 3. Aufzug in der Gegend herumstehen und glauben machen, die Wiener Bühne hätte keine Aufzüge. Allerdings wirken sie dann sehr gut in dem großartig und fantasievoll von fettfilm inszenierten Feuerzauber. Er wird optisch der Höhepunkt der Inszenierung- lang‘ musste man warten. Viele, die wohl auch aus optischer Langweile früher schon das Haus verlassen hatten, wurden auch noch um dieses finale Gustostückerl‘ gebracht…

Fotos: Michael Pöhn/Wiener Staatsoper

Klaus Billand

Der Ring des Nibelungen

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