LINZ: „Siegfried“ – NI 15. November 2014

Leipziger Allerei…

1. Aufzug Mime mit Siegfried

1. Aufzug Mime mit Siegfried

Uwe Eric Laufenbergs neue „Ring“-Inszenierung mit dramaturgischer Unterstützung von Wolfgang Haendeler am eindrucksvollen neuen Landestheater Linz in den Bühnenbildern von Gisbert Jäkel und den Kostümen von Antje Sternberg, den Video-Einspielungen von Falke Sternberg und der Lichtregie von Andreas Frank, scheint nun mit dem 2. Abend der Tetralogie endgültig in ein Leipziger Allerlei zu münden. Nun kommt es bekanntlich auch in besten Regisseurs-Kreisen vor, dass auch nach guten Ansätzen in „Rheingold“ und „Walküre“ im „Siegfried“ ein Durchhänger folgt. Aber was hier an beliebig wirkenden Assoziationsspielräumen angeboten wird, weist eher auf Ratlosigkeit des Regieteams hin als auf eine durchdachte Dramaturgie im Sinne eines holistisch stringenten Regiekonzepts. Dabei wirkt dieser „Siegfried“ fast wie eine Tour d’horizon durch andere europäische Inszenierungen der jüngeren Vergangenheit.

1. Aufzug Mime mit Wanderer

1. Aufzug Mime mit Wanderer

Bei der Schwertschmiedung auf total konservativer (Blasebalg und rostiges Schmiedegeschirr aus der Zeit der UA) bis postmoderner (Einkaufssackerl und Fast Food Produkte von heute) Herd-Ästhetik in Mimes Altreifenlager ruft sich im Hintergrund der Valencia-„Ring“ von La Fura dels Baus mit der entsprechenden Cyber-Schmiede-Optik in Erinnerung. Fafners an den neureichen Kitsch der Superreichen in Beverly Hills erinnerndes goldenes Garagentor mit dorischer Säulenbegrenzung, welches beim Waldweben einen Laubwald suggeriert, war so ähnlich schon bei Claus Guth in Hamburg zu sehen. Dieser hätte sich bestimmt auch über die Müllkippe auf dem „Walkürenfelsen“ im 3. Aufzug gefreut, auch wenn sie etwas facettenreicher als seine v.a. auf Sperrmüll setzende Ausstattung im 1. „Siegfried“-Aufzug in Hamburg war. Eine dieser Facetten, das herein wehende Laub, welches sich überall auf der Bühne ansammelt, erinnerte wiederum an die allerdings großartige Inszenierung von Viesturs Kairiss in Riga. Der bei Gisbert Jäkel in Linz zusätzlich abgelagerte Wohlstandsmüll war fast identisch mit jenem von Tankred Dorst in Bayreuth: Eine alte Holzpalette, abgefahrene Autoreifen, Plastikplanen und -Müll, ein Bierkasten, aus dem der Wanderer Alberich auch noch mit einer Flasche zuprostet. Es wird nichts ausgelassen… Banaler ging’s kaum.

2. Aufzug Alberich mit Mime

2. Aufzug Alberich mit Mime

Jäkels Glücklosigkeit, um es diplomatisch zu sagen, bei Wagner-Inszenierungen und den dazu gehörigen Bühnenbildern hat in Österreich schon jüngere Tradition. Man denke nur an den weitgehend missratenen von ihm inszenierten „Ring“ in Graz vor etwa zehn Jahren und sein daraus fast eins zu eins übernommenes Bühnenbild zum kaum ins Erwachsenenalter gelangten Wiener „Tristan“ von Günter Krämer an der Staatsoper, den der damals brandneue Staatsoperndirektor D. Meyer GsD umgehend entsorgte. Ich erinnere mich noch an die Buhstürme bei der Premiere, die einen Höhepunkt des in der Holender-Ära allgemein zu beobachtenden Niedergangs der szenischen und konzeptionellen Wagner-Qualität am Ring markierte. Nach und nach wird das bekanntlich nun korrigiert.

2. Aufzug Lars Clevemann als Siegfried

2. Aufzug Lars Clevemann als Siegfried

Die absolut entbehrlichen Aufmärsche von Bürotigern und geschniegelten Bürodamen im üblichen knapp sitzenden Office-Hellgrau mit Akten unter den Armen in der „Fafner Bank“ im 2. Aufzug, die witzigerweise noch mit der veralteten Golddeckung aus der Bretton Woods Zeit operiert, riefen ungute Erinnerungen an Jürgen Flimms Bayreuther „Götterdämmerung“ und den Kriegenburg-„Ring“ in München wach. Warum müssen immer wieder dieselben postmodernen Stereotype verwandt werden?! Wagners „Ring“ ist so universal, dass er sich, wie es Hans-Peter Lehmann 2006 in Wroclaw bei der Premierenfeier zur zyklischen Aufführung seiner Inszenierung in der Hala Ludowa sagte, auf 1000fache Weise interpretieren lässt!

2. Aufzug Fafner

2. Aufzug Fafner

Interessant war gleich zu Beginn die Abbildung einer Favela in Rio de Janeiro über Mimes Reifenverschlag und auch die Bebilderung der Wissenswette mit auf die jeweilige Frage abgestimmten visualisierten Themen. Wenn es zur Frage nach den Göttern kommt, sieht man natürlich Obama mit Poroshenko und Putin am Verhandlungstisch und am Ende den obligaten Bomber mit unausweichlich folgendem Bombenflug und Atompilz… Das alles war aber eher ein Sammelsurium an teilweise tatsächlich interessanten Ideen bzw. Gedanken-Flashs, die jedoch in keinen stringenten dramaturgischen Zusammenhang gestellt wurden, wie das erst vor kurzem beim „Tannhäuser“ von Florin Lutz in Lübeck zu erleben war. So verpuffte eine mögliche Wirkung in Linz schnell.

3. Aufzug Elena Nebera als Brünnhilde

3. Aufzug Elena Nebera als Brünnhilde

Lars Clevemann, den der Rezensent schon bei seinem „Siegfried“-Debut 2006 in Stockholm als nicht wirklich überzeugend kennen lernte, der aber gleichwohl von Eva Wagner als erfolgloser Bayreuther Tannhäuser engagiert wurde, ließ sich nach hörbaren, aber nicht allzu sehr störenden Problemen im ersten vor dem 2. Aufzug wegen einer „massiven Erkältung“ ansagen. Man muss sich schon fragen, warum die Ansage nicht gleich zu Beginn erfolgte, zumal laut Sprecher des LT Clevemann an eine Absage des Abends gedacht hatte. Er hielt sich angesichts der Unpässlichkeit wacker, konnte mit guten Höhen und lang gehaltenen Bögen durchaus beeindrucken und machte auch darstellerisch eine gute Figur. Elena Nebera mit ihrem für die „Siegfried“-Brünnhilde zu dunkel getönten Timbre vermochte charakterlichen Ausdruck mit ihrer Stimme zu vermitteln, bei ebenso emphatischem Spiel. Auch gelangen die Spitzentöne durchwegs gut und nie aufgesetzt. In der Mittellage klingt ihr Sopran jedoch weiterhin viel zu unartikuliert, bisweilen guttural verquollen und nur selten bis gar nicht verständlich.

Matthäus Schmidlechner als Mime

Matthäus Schmidlechner als Mime

Gerd Grochowski gestaltete den Wanderer mit seinem gesanglich betonten, sehr kultivierten, aber nicht allzu großen Bass-Bariton mit guten Höhen und einigem Charisma, obwohl der Wanderer nach seinem „Rheingold“ und „Walküre“-Wotan die ihm scheinbar am wenigsten liegende Partie ist. Er wirkte an diesem Abend stimmlich zumindest eigenartig unisono. Als erstklassiger und absolut festspielreifer Mime entpuppte sich Matthäus Schmidlechner mit einem Mime-typischen, baritonal gefärbten und höhensicheren Charaktertenor, der die Rolle auch überaus intelligent spielt. Wer immer auch an großen Häusern einen „Ring“ besetzen muss, sollte an ihn denken! Bjorn Waag war ein grell und in erster Linie laut singender Alberich ohne große Ausstrahlung.

Schlussapplaus

Schlussapplaus

Nikolai Galkin sang als CEO der „Fafner Bank“ einen guten Fafner im Morgenrock, der nach seinem Verscheiden von zwei – ebenso wie die Bürokratenschar im 2. Aufzug – entbehrlichen Sicherheitsbeamten in den obligaten stereotypen, dunklen Sonnenbrillen, auf den Goldquader gebettet wird… Die Szene erinnerte etwas an den ebenfalls mittlerweile in den Bankrott gegangenen Eike Batista in Rio de Janeiro, einst laut Forbes siebtreichster Mann der Welt und reichster Mann Südamerikas – mit einem Vermögen von schätzungsweise US$30 Milliarden. Er hatte sich einen Mercedes Maibach in sein Wohnzimmer stellen lassen – Straßenbenutzung ausgeschlossen, wie Fafner in Linz einen riesigen Goldquader ohne Börsenwirkung… Bernadett Fodor war eine gute Erda, aber nicht mehr. Elisabeth Breuer zwitscherte mit total auf die Rolle abgestimmtem Sopran den Waldvogel. Dafür, dass sie dem „Vogel TV“ ein Interview geben musste, konnte sie nichts.

Dennis Russel Davies und Solisten beim Schlussapplaus

Dennis Russel Davies und Solisten beim Schlussapplaus

Der wahre Star des Abends war das Bruckner Orchester Linz unter der Leitung seines bald scheidenden GMD Dennis Russel Davies. Herrliche Celli, überhaupt der gesamte Streichersatz, dazu warm und wohlklingende Hörner, sowie die ausgezeichneten Holzbläser bildeten das starke musikalische Rückgrat dieses Abends, bestens zur Geltung gebracht durch die hervorragende Akustik des neuen Linzer Hauses. Auch im 1. Rang hörte man besser noch als im Parkett das Orchester mit großartiger Transparenz und allen relevanten Details bei den Soloinstrumenten. Wie schon in der „Walküre“ wirkten manche Tempi unter Russel Davies allerdings zu langsam. Insgesamt wurde hier jedoch der Beweis erbracht, dass das Brucknerorechster sich momentan in bester Tradition mit den konzertanten Wagner-Aufführungen beim Bruckner Festival befindet. Kurzer aber beherzter Applaus für alle Mitwirkenden.

Fotos 1-7: Karl Forster
Fotos 8-9: Klaus Billand

Klaus Billand

Der Ring des Nibelungen

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