WIEN: "Die Walküre" - 31. Mai 2014

Seiffert und Barkmin 2. Aufzug

Seiffert und Barkmin 2. Aufzug

Das Publikum erlebte an diesem Abend einen großartigen 1. Aufzug der „Walküre“, an dem alles stimmte. Ein besonders glückliches Händchen bewies die Staatsoper mit der Besetzung der Sieglinde mit Gun-Brit Barkmin, die im Vorjahr am Ring als Ellen Oxford in „Peter Grimes“ debütierte und auch noch die Salome sang. Sie war eine einnehmende, darstellerisch in jedem Moment präsente und attraktive Sieglinde, die die Rolle mit viel Empathie verkörperte. Ihr etwas dunkel timbrierter Sopran ist bei großer Klangschönheit auch höhensicher und dabei äußerst wortdeutlich. Mit diesem Rollendebut an der Wiener Staatsoper hat sich Barkmin sofort und die Herzen des Publikums gesungen. Aber sie hatte auch zwei kongeniale Partner. Der seit langem als ausgezeichneter Siegmund bekannte Peter Seiffert sang die Rolle eindrucksvoll mit seinem kultivierten, bestens geführten Tenor. Darstellerisch ist er immer etwas zurückhaltend. Aber die wenigen Gesten, die er zeigte, wirkten mit der Aura einer gewissen Tragik, die er dem Siegmund gibt, umso nachhaltiger. Nahezu unglaublich erschien die Länge seiner Wälserufe, mit der er sicher in den Top 10 der Staatsoper liegen dürfte, sowie sein lang und sicher gehaltenes „So blühe denn Wälsungenblut!“, obwohl diese keine ausschlaggebenden Parameter für eine Siegmund Performance sein sollten. Mit diesem Abend bewies Seiffert, dass er immer noch zu den großen Rollenvertretern unserer Tage zählt. Zu denen zählt im Falle des Hunding Ain Anger ohnehin. Viel stärker als mit der Rolle des Fafner am Vorabend konnte er nun als Hunding mit der ganzen farbigen Klangfülle seines Edelbasses glänzen und auch wieder ein eindringliches Rollenportät des finsteren, misstrauischen und gewalttätigen Widersachers geben.

Kulman und Koscielny

Kulman und Koscielny

Im 2. Aufzug bewies die für die erkrankte Nina Stemme eingesprungenen Linda Watson, dass sie immer noch unter den hochdramatischen Brünnhilden zur ersten Wahl gehört. Mit ihrer enormen Rollenerfahrung weiß sie ihre Kräfte gut zu dosieren und so die geforderten Höhen auch noch klangvoll und ohne Schärfen zu singen, auch wenn zu Beginn des 3. Aufzugs die Stimme etwas zu metallisch klang. Im Dialog mit Wotan fand sie dann zu einer weicheren gesanglichen Note mit viel stimmlicher Ausdruckskraft zurück. Dazu kam Watsons äußerst souveräne Rollengestaltung, welche die Höhen und Tiefen der „Walküre“-Brünnhilde weitestgehend auslotete. Der gerade als „Walküre“-Wotan noch immer viel zu junge und damit auch so wirkende Tomasz Konieczny konnte als Wotan in einigen Momenten an diesem Abend durchaus auch stimmlich überzeugen. Im allgemeinen hielt sich aber der Eindruck vom Vorabend und früheren Auftritten als Wotan am Ring, dass sein Bariton gerade für die noch viel höheren Ansprüche des „Walküre“-Wotan einfach zu leichtgewichtig ist. Es fehlt an bassbaritonaler Farbe bei zu wenig Tiefe und Resonanz. Die Stimme klingt kopflastig und immer wieder allzu guttural und nasal bei geringem Phrasierungspotenzial. Sprachlich hat Konieczny sich seit seinen ersten Wagner-Auftritten, u.a. als Amfortas vor einigen Jahren am Palast der Künste Budapest, klar verbessert. Auch darstellerisch konnte er an diesem Abend einige gute und emotionale Akzente setzen, insbesondere im Finale des 3. Aufzugs.

Einen Glanzpunkt des Abends setzte einmal mehr Elisabeth Kulman als Fricka, die sie mit einer bestechend subtilen und dennoch fordernden Darstellung interpretierte und dabei mit ihrem klangvollen und variationsreichen Mezzo verführerisch schön sang. Endlich einmal keine stereotyp keifende alternde Ehefrau, sondern eine immer noch attraktive und im Prinzip auch liebevolle, in der Sache aber knallharte Partnerin. Das Walküren-Oktett agierte nach Bechtolfscher Regieanweisung übermotiviert und sang auf Staatsopernniveau (Regine Hangler als Helmwige, Olga Bezsmertna als Gerhilde, Hyuna Ko als Ortlinde – alle drei mit Rollendebut am Haus, Stephanie Houtzeel als Waltraute, Ulrike Helzel als Siegrune, Zsuzsanna Szabó als Grimgerde, Zoryana Kushpler als Schwertleite und Juliette Mars als Rossweiße.

Jeffrey Tate

Jeffrey Tate

Wieder, wie schon am Vorabend, aber vom Publikum da wohl noch nicht ganz wahrgenommen, sorgte Jeffrey Tate am Pult des Orchesters der Wiener Staatsoper für einen mit äußerst ruhiger Hand ausgeführten exakten Schlag. Tate strahlte große Souveränität und Sicherheit aus, die sich den ganzen Abend positiv auf die erstklassige musikalische Leistung des Orchesters auswirkte. Starker Applaus und viele Bravi vor dem 2. und 3. Aufzug sowie am Schluss waren der überaus verdiente Dank. Sein großes Verdienst ist es, anders als bisweilen sonst an diesem Platz vor dem Orchester in Wien üblich, das Orchester zum Ausmusizieren anzuregen, ganz und gar zwanglos einfach Autorität delegierend. Es wurde ihm und dem Publikum gedankt durch ein oft wundervolles Hervorheben einzelner Stimmen mit einer inneren Spannung und Leichtigkeit, die nicht immer im „Ring“ am Ring zu hören sind. Als ein Beispiel von vielen sollen die „Winterstürme“ genannt werden, die wundersam kammersmusikalisch lyrisch erklangen und somit auch ein hohes Maß der genau in diesem Moment so relevanten Emotionen offenbarten, trotz des kargen Bühnenbildes. Dabei hat Jeffrey Tate nichts gegen ein bisweilen angedeutetes Pathos, welches gerade in dieser recht konturlosen Produktion als musikalischer Kontrast durchaus angebracht ist.

Womit auch noch ein paar Worte zur Inszenierung gesagt werden sollen. Sven-Eric Bechtolf zeigt mit seiner Sicht der „Walküre“ Sinn für das Wesentliche, kommt meist gleich zum Punkt, und das bei weitgehend einfühlsamer Personenregie, die immer die direkte Auseinandersetzung zwischen den Protagonisten ins Zentrum rückt. Man sieht die Handschrift des (Burg)-Schauspielers stets mehr als jene eines Wagner-erfahrenen Opernregisseurs, der die große Linie und holistische Sicht vor die Akribie der Einzelaktion stellt und dabei zwar zu keiner neuen Sicht auf das Werk kommt, aber doch zu einer bleibende Eindrücke hinterlassenden Aussage. Dennoch wirkt allzu vieles optisch einfach zu banal und flach und auch aus anderen Produktionen entlehnt. Insbesondere das Einheitsbühnenbild mit der aus der berühmten Kurt Horres Produktion an der Rheinoper stammenden klassizistischen hellgrauen Bühnenbox, in der Wotan im 3. Aufzug, wie sein Vorgänger in der Bayreuther Jürgen Flimm-Prodution, die Türen vor Brünnhildes Schlafversenkung schließen muss, langweilt doch sehr. Ganz beliebig und eindruckslos ist das Bühnenbild von Rolf Glittenberg für den 2. Aufzug mit seinen oben abgeschnittenen Baumstämmen und den Camembert-ähnlichen hinzugewürfelten Felsenscheiben, die für die Kinderbett-Gestelle von Christine Mielitz aus Meiningen und Dortmund in diesen „Ring“ kamen. Die Kostüme von Marianne Glittenberg können hingegen durch große Geschmacksicherheit überzeugen. Es bedarf jedenfalls guter SängerdarstellerInnen, um aus dieser ganz und gar den Erfordernissen des Repertoiretheaters folgenden Insznenierung etwas Lebendiges zu machen…

Fotos: Wiener Staastoper/Michael Pöhn
Klaus Billand: Jeffrey Tate

Klaus Billand

Der Ring des Nibelungen

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