Mailand/La Scala: Premiere Siegfried des neuen Ring des Nibelungen - 23. Oktober 2012

1. Aufzug Finale

1. Aufzug Finale

Nun hat kurz nach der Staatsoper unter den Linden auch die Mailänder Scala ihre „Siegfried“-Premiere in Koproduktion hinter sich. Die Inszenierung von Guy Cassiers, auch für das Bühnenbild zuständig, wartete in der diffusen Lichtregie von Enrico Bagnoli und den fast alles bestimmenden Video-Projektionen von Arjen Klerkx und Kurt d’Haeseeler mit eindrucksvollen und imaginativen Bildmomenten auf, die aber allzu oft zu sehr auf technische Raffinessen abstellten statt die Aussage und emotionalen Ebenen des Stücks durch die SängerInnen mit ihren Mitteln zu zeigen. Wenn auch die Videoprojektionen in einigen Momenten starke Stimmungen schufen, war ihre Aussage meist zu unklar und diffus, um eindeutige dramaturgische Akzente zu setzen. Man sah im 1. Aufzug starke Anlehnungen an die Schmiede von S. E. Bechtolf in Wien, im Wald des 2. Aufzugs an dessen Wald in der „Walküre“. Auch A. Kriegenburg liess grüssen, als Siegfried sich nach Fafners Fall auf ein paar Statisten setzte, die ansonsten wenig aussagekräftige Spielchen mit fünf Schwertern veranstalteten. Diese sollten nach dem im Berliner Tagesspiegel geäußerten Wunsch des Choreografen Sidi Largi Cherkaoui den im Hort gefundenen Tarnhelm darstellen.

Traditionelles und Altmodisches wechselte mit modernster Technik, es fehlte dabei der rote Faden – fast alles hatte etwas Beliebiges und Gefälliges, aber kaum Zwingendes. Die teilweise aus der Mottenkiste zu stammen scheinenden Kostüme von Tim van Steenbergen taten ihr Übriges – Wanderer und Alberich trugen halbe Raubvogelgehege auf ihren Lederlappen… Immerhin gelang die Zeichnung der beiden als Antipoden in dieser Optik gut.

Nina Stemme konnte wieder mit der gewohnten Weltklasse-Brünnhilde begeistern, die sie mit ihrem wunderschönen, geschmeidigen Timbre und in jeder Situation mit bestem emotionalem Ausdruck sowie blendenden Höhen gestaltete. Der durchaus mit heldischem Aplomb versehene Tenor von Lance Ryan als Siegfried wird immer nasaler und enger in der Höhe, wenngleich er diese immer erreicht. Von einem wohlklingenden Legato war auch im Waldweben nichts zu vernehmen, da war eher Sprechgesang angesagt. Der schon weit in den Sechzigern befindliche Terje Stensvold sang den Wanderer immer noch farbig mit bester Phrasierung und viel Ausdruck – und auch er kann sich auf eine gute Höhe verlassen. Hervorragend war der Charaktertenor Peter Bronder als Mime, dessen Facetten er mit seinem kräftigen und variationsreichen Tenor eindrucksvoll interpretierte.

Johannes Martin Kränzle gab den Alberich mit sängerischer Note und war Stensvold ein ebenbürtiger Gegner. Anna Larsson konnte ebenfalls ihr Weltklasse-Format als Erda unter Beweis stellen. Reiner Mezzo-Wohlklang paarte sich mit darstellerischer Intensität und guter Optik. Alexander Tsymbalyuk sang den Fafner mit gut geführtem klangvollem Bass. Rinnat Moriah stand sprichwörtlich mit ihrer zu dünnen Stimme aus dem Off neben dem Waldvogel, der als elegante Statistin (Vivians Guadalupi) auf der Bühne agierte. Die wenigen Bewegungen, die sie vollführte, hätte auch jede Sängerin schaffen können.

Das Beste kam aber insgesamt an diesem Abend aus dem Graben, wenn man einmal von großen Tempoverschleppungen bei den Hornufen im 2. Aufzug absieht. Daniel Barenboim musizierte mit dem Orchestra del Teatro alla Scala, das wohl nahe an der Originalbesetzung spielte, einen wunderbaren „Siegfried“-Klang mit feiner Facettierung in den ruhigen Momenten und großer, aber immer transparenter Dynamik in den dramatischen Phasen der Partitur. Das war Wagner vom Feinsten, insbesondere im 3. Aufzug, als Barenboim signifikant das Tempo anzog. Besonders großer Beifall für Stemme, Ryan und Bronder, sowie Barenboim und das Orchester. Indifferent blieb das Scala-Publikum, als das Regieteam erschien…

Fotos: Monika Rittershaus

Klaus Billand

Der Ring des Nibelungen

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